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30. Juli 2014

Tagebucheinträge, früher- heute. Meine Mama war Alkoholikerin.

20.1.2011
''Wieso kann Mama nicht einfach aufhören zu trinken? Ich weiß ja, das es eine Sucht ist. Und ich weiß auch, wie schwer es ist sowas loszuwerden, aber merkt sie nicht, dass ich darunter leide? Ich bin froh wenn ich in der Klinik bin und das erst einmal hinter mir lassen zu können.''

 Ja, wieso konnte sie nicht aufhören? Egal wann, wo, und wie oft ich es angesprochen habe, endete es in einem großen Streit mit Schreiereien und verletzenden Worten. Die Einsicht, das bei ihr etwas schief läuft, dauerte fast 10 Jahre. 10 Jahre in der ich nicht bei ihr sein mochte. So viele Momente in denen ich mich als Kind fragte, wieso sie immer betrunken sein musste. 
Jetzt kann ich es ansatzweise verstehen. Nicht alles. Aber wer kann das schon? Ich glaube im Gegensatz zu meiner Mama weiß ich ganz genau, was ich ihr damit antue. Auch, wenn ich mich damit nicht rechtfertigen will. Ich habe ein schlechtes Gewissen gegenüber ihr. Und erst nach Jahren sprach ich darüber, wie sehr ich darunter gelitten habe, das sie sich jeden Tag bis auf's Letzte in meiner Gegenwart die Birne zugekippt hat.

22.1.2011
''Ich will weg hier, SOFORT! Wieso ist die Wartezeit der Klinik nur so lang? Was Mama wohl sagen würde, wenn ich ihr mal alles vorwerfe was sie falsch gemacht hat und nicht immer ich, ich glaube sie würde mich in drei Tagen noch zu sau machen. Ich habe nur noch Ärger hier. Ich fühle mich so alleine gelassen.''

Was soll ich dazu sagen? Meine Freunde haben ich im Stich gelassen, meine Mama hatte ihre Probleme und sobald sie von der Arbeit kam, war ich froh, wenn Jemand da war mit dem ich endlich mal reden konnte. Jedenfalls kurz, bevor sie anfing zu trinken. Damit war jedes Gespräch vorbei und am nächsten Tag vergessen. Jedenfalls konnte sie sich an nichts mehr erinnern. Ich musste immer alles vom Neuem erzählen. Es war anstrengend und irgendwann hatte ich auch nicht mehr die Kraft und den Willen, ihr irgendetwas zu erzählen was mich belastete. 


Ich habe es meiner Mama nie vorgehalten, das sie damals getrunken hat (heute trinkt sie nicht mehr). Ich bin unheimlich stolz auf ihr Durchhaltevermögen und ihren Willen. Sie hat das geschafft, was ich bisher nicht hinbekommen habe.
Und der Grund war tatsächlich ich. Ich war der Grund, weshalb sie aufgehört hat.
Das ist heute ein Jahr her. Ich weiß nicht mehr, wieso das so plötzlich kam, aber sie hat mir vor einiger Zeit erzählt, das sie nicht schuld daran sein wollte, wenn ihr Kind stirbt.
In der Zeit war ich in der schlimmsten Zeit. Ich lag des Öfteren im Krankenhaus und musste spontan meine Sachen packen.
Ihr Worte waren: ''Stell dir vor, du brichst zusammen, ich bin betrunken, kann nicht fahren, bin zu nichts mehr fähig, und du stirbst. Weil dein Herz oder irgendein Organ plötzlich versagt''
Sie hätte sich ihr Leben lang Vorwürfe gemacht.

Ich verkroch mich in meinem Zimmer. Meine Glasscherben lagen in einer gelben Diddldose unter meinem Bett.
Ich schnitt mich nie mit Rasierklingen. Auf den Gedanken bin ich als Kind noch gar nicht gekommen, stattdessen aber auf andere verrückte und kranke Ideen.
Ich schlug mit meiner Hand 150 mal gegen eine Mauer. (Woher ich das weiß? Ich habe mitgezählt. Ich hatte damals schon einen Zähl-Tick) 
Erst als ich meine Hand nicht mehr bewegen konnte, die blau und rot war, aufgeplatzte Knöcheln und blutende Wunden hatte, rief ich meine Mutter auf der Arbeit an, sie solle bitte nach Hause kommen, weil ich 'hingefallen' bin.
Hingefallen. Süße Geschichte.
Wenn ich darüber nachdenke, wie viele interessante und glaubwürdige Geschichten ich in solchen Situation erzählte, ist verrückt.
Sei es ein gerochenes Knie, ein gebrochener Fuß, ein gerochener Daumen, der ''zufällig'' zwischen eine Tür eingequetscht wurde, sei es mein Ellbogen oder meine komplette Hand.
Ich schnitt mir nicht bis aufs Fett ins Fleisch, ich hingegen habe mir Knochen gebrochen. Schnittwunden, die so tief und häufig auf dem Arm zu sehen sind, sind nicht durch Zufall entstanden. Dazu fiel mir keine Geschichte ein. Aber zu den ''Unfällen'' mit anschließendem Gipsarm-Bein-Fuß.. wohl.
Wir waren Dauergäste im Krankenhaus. Meine Mutter sagte irgendwann, ich könnte hier ja gleich einziehen.
Irgendwann war es dann soweit, das auch sie auf diesen Stress keinen Lust mehr hatte und ich mich ein Paar Mal selbst auf dem Weg gemacht habe ins Krankenhaus, um meine Körperteile behandeln zu lassen.
Hätte ich gewusst, das sie nicht mehr fährt, hätte ich mir nicht die 'Mühe'' gemacht und alles kurz und klein gehauen.

Ich glaube, ich wollte Aufmerksamkeit. Über Tag. Wollte das sie mich bemuttert und für mich da ist. So, wie sie es eigentlich immer sollte, nur nicht konnte, weil sie erst Abends Zeit hatte und dieser Zeitraum nicht für mich, sondern ihren Alkohol bestimmt war.
Ich mache ihr keine Vorwürfe, und ob das alles WIRKLICH so ist, kann ich nicht sagen.
Ich kenne meine Gedanken von damals nicht mehr. Kenne nicht mehr die Gründe weshalb ich es tat.
Aber es ist eindeutig dort schon ein selbstverletzendes Verhalten gewesen.

Meine Mama litt 10 Jahre lang an ihrer Sucht.
Mittlerweile weiß ich die Gründe, die wirklich nachzuvollziehen sind. Die ich hier aber nicht schreiben mag. Dieses Geheimnis gehört ihr und mir, und ich bin froh an diesem Geheimnis teilnehmen zu dürfen. So wurde meine Sicht auf viele Dinge klarer.
Das erste mal habe ich nach 7 Jahren über das, was Zuhause los war, gesprochen.
7 Jahre lang habe ich nie auch nur einen Ton gesagt,weil sie mir eingetrichtert hat, das ich das für mich behalten soll, und das ich an all dem Schuld sei.
Ich wollte nicht, das man mich deswegen schuldig spricht und hielt deswegen meinen Mund.
7 Jahre lang habe ich nie darüber gesprochen wie ich die Flaschen markiert habe, wie ich alle Verstecke ihrer Flaschen gefunden habe, wie sie mich die Treppe hochgescheucht hat, wie sie mich angeschrien hat, wie sie mir an den Haare zerrte und mir jeden Tag Angst machte. Sie machte mir in einem alkoholisierten Zustand unheimlich Angst. Ich habe nie darüber geredet, das ich froh war, als ich im Februar 2011 in die Klinik kam und endlich Luft holen zu können. Ich habe nie darüber geredet, das ich meine Mama liebte, aber verabscheute.

Und heute- rede ich. 
Erzähle ich.
Mit der Hoffnung das diese Zeit niemals wieder kommt und meine Mama meine Freundin und weltbeste Mutter der Welt bleibt.
Ich hab ihr nichts vorgehalten, wir haben darüber geredet, sie weiß, das ich sie liebe und ihr das nicht Übel nehmen werde. Dafür ist sie ja doch der wichtigste Mensch auf Erden für mich. Und die beste Freundin zugleich.

7 Kommentare:

  1. Meine Augen kneifen sich zsm, meine Beine zucken, am liebsten würde ich wegsehen, obwohl ich dich nur Deine Zeilen lese, was Du und deine Mutter, was ihr alles durchmachen musstet. Es schmerzt, wenn ich lese, dass Du Deine Hänge gruen und blau geschlagen hast....
    Es ist lange her, aber ich blicke positiv in Deine Zukunft, dass Du das nicht mehr machen wirst, es sei denn, ein mieser Schicksalsschlag käme.
    Die Gründe der Alkoholabhängigkeit Deiner Mutter kenne ich nicht (geht mich auch nichts an), nur erklärt das auch für Dich einiges. Du wolltest es, dass das Trinken aufhört, und sie wollte /will, dass Du vom Erbrechen und vom Schneiden loskommst. (...)


    .
    Ihr beide seid ein gutes Team <3

    Lieben Gruß;
    Yume <3

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  2. Du hast keine Ahnung, wie sehr mich diese Frage verstört hat. Ich hab da zum ersten Mal richtig drüber nachgedacht.
    Und ich glaube, ja, ich mag meine Narben. Meistens.
    Die sind einfach ein Teil von mir. Ich kann mich nichmal mehr erinnern, wie mein Körper ohne sie ausgesehen hat. Und allein schon: Wenn da mal Schmerz war, darf man das ruhig sehen.
    Ich schäme mich auf keinen Fall für meine Narben. Verstecke die schon seit Jahren net mehr.
    Und ich glaube, ich würde mich iwie verloren fühlen ohne sie.

    Des wär die Kurzform.
    Und darfst mich natürlich alles fragen. Wenns mir zu nah geht, bekommste eben keine Antwort.

    Und ne Umarmung nehm ich eh immer gern ^^

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  3. Danke, das kann ich nur zurück geben. Du bist auch ein unglaublich toller und wundervoller Mensch! :*
    Wir haben gegrillt und einen Horrorfilm geschaut, ja und um Mitternacht dann gefeiert, gesungen und gratuliert. War echt ganz schön. :)
    Ja, ich muss mal schauen, ob sich das noch einspielt. Ich hab die relativ neu, vorher hatte ich andere Tabletten. Mal sehen, wie's wird.

    P.S.: Deinen Eintrag muss ich morgen lesen, bin momentan viel zu müde und fertig irgendwie...

    Trotzdem alles Liebe,
    Lucy ♥

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  4. Hallo liebes ❤️
    Ich finde es sehr bemerkenswert das deine Mutter jetzt schon ein Jahr nichts mehr getrunken hat! Und ich finde irgendwie vielleicht kannst du sie dir genau deshalb ja auch etwas als Vorbild nehmen um gesund zu werden! Ich hoffe euere Verhältnis bleibt weiterhin so gut wie es jetzt ist! Alles liebe, deine Lee ❤️

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  5. Ich kenn es zu gut engel die frage im kopf warum muss die person so viel trinken meine fing vor 20 jahren an bis heute und es ist manchmal nicht leich sie so zu sehen

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  6. Ich finds toll, mutig und richtig von dir, dass du heute redest!!
    Dein Eintrag hier, hat mich sehr berührt.
    Tut mir sehr Leid, was du mitmachen musstest. Ich hoffe, dass diese Zeiten niemals wieder kommen!

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  7. So, jetzt komme ich auch endlich dazu, deinen Text zu lesen.
    Es klingt alles so traurig; und doch der Schluss ist irgendwie wunderschön.
    Ich habe mir auch immer so viele Geschichten ausgedacht. Seltsam, was man plötzlich für eine Phantasie entwickelt in solchen Dingen, was...
    Fühl dich umarmt,
    Lucy ♥

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Ich freue mich über jeden Kommentar!:)